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Aktuelles aus den Pärken

Publikation «Weissbuch Schweizer Pärke»

Die Schweizer Pärke sollen Natur und Landschaft schützen, den ländlichen Raum beleben und die regionale Wirtschaft fördern: Diesen Auftrag setzen sie seit knapp 20 Jahren mit grossem Engagement und durchaus erfolgreich um. Sie stossen aber auch an Grenzen und werden von Politik und Öffentlichkeit nicht immer verstanden. Im kürzlich publizierten «Weissbuch Schweizer Pärke» blicken 11 Expertinnen und Experten von aussen auf die Pärke und beleuchten deren Rahmenbedingungen.

Neues Buch zu den Pärken

Der Haupt Verlag hat in Zusammenarbeit mit den Journalistinnen und Journalisten von Oecocom ein Buch zu den Schweizer Pärken publiziert. Die Autor:innen führen durch die vielfältige Pärkelandschaft der Schweiz und stellen die Pärke mit ihren charakteristischen Landschaften, Lebensraumtypen, Tier- und Pflanzenarten sowie ihrer Entstehungsgeschichte vor.
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Parco Val CalancaParco Val Calanca

Parco Val Calanca

© Switzerland Tourism / Daniel Loosli

Gesellschaft

Ein Park für Menschen

Der Naturpark Biosfera Val Müstair umfasst das ganze Gebiet der Bündner Berggemeinde Val Müstair. Es ist ein kleines Paradies mit nur knapp 1400 Einwohnenden, intakter Natur und alten Traditionen. Doch Abwanderung, Überalterung und Arbeitsplatzverluste sind heimtückische Entwicklungen. Die Naturpark­Organisation Biosfera Val Müstair engagiert sich seit Jahren für den Erhalt und eine gute Zukunft des Lebensraums. In diesem heraus­ fordernden Umfeld steht nicht die Natur, sondern der Mensch im Fokus.

Maya Repele
Der Naturpark Biosfera Val Müstair umfasst das ganze Gebiet der Bündner Berggemeinde Val Müstair, im östlichsten Zipfel der Schweiz gelegen. Da, wo im Lande die Sonne zuerst aufgeht. Das Münstertal ist innerhalb der Landesgrenzen einzig über den Ofenpass erreichbar. Die Reise vom Engadin durch den wilden Nationalpark ist kurvig, beeindruckend und schön. Von der Ofenpasshöhe (2149 m.ü.M) führt die einzige Kantonsstrasse durch die Talebene rund 900 Höhenmeter hinunter nach Müstair. Am Ende des Dorfes, vor allem bekannt durch das UNESCO Weltkulturerbe Kloster St. Johann, befinden sich das Zollhaus und die Landesgrenze zu Italien. Knapp 1 400 Menschen bewohnen das idyllische Münstertal. Die Natur ist intakt, die Artenvielfalt in Flora und Fauna ist gross, fast alle Bauernbetriebe sind Bio-Höfe und die Lichtverschmutzung ist so gering, dass man bei günstigem Wetter nicht anders kann, als den geheimnisvollen Sternenhimmel minutenlang fasziniert zu bestaunen.

Die Wirtschaft basiert auf der Landwirtschaft, dem Handwerk und insbesondere auf dem für den Wohlstand essenziellen Tourismus (knapp 50% der Wertschöpfung). Im Südtal mit den verhältnismässig warmen Temperaturen (im Vergleich zum angrenzenden Engadin) und dem trockenen Klima, dominiert der Sommer. Man wandert und biket inmitten von Kuhglockengebimmel und – mit etwas Glück – auch mal begleitet von Alphornklängen. Ein kleines Paradies.

Abwanderung und Überalterung

Wie oft gibt es eine Kehrseite der Medaille. Sie ist weniger beschaulich, denn das Tal ist wie andere Berg- und Randregionen von (Jugend-)Abwanderung und Überalterung betroffen. Gemäss Amt für Wirtschaft des Kantons Graubünden hat die ständige Wohnbevölkerung von 2012 bis 2022 satte 7.8 Prozent abgenommen, einer der höchsten Rückgänge im Kanton. Der Altersquotient (das Verhältnis der 65-Jährigen und Älteren zu den 20- bis 64-Jährigen) ist seit den 2000er-Jahren in einer steilen Kurve gewachsen und liegt bei hohen 44 Prozent. Dieser Trend geht weiter. Der Altersquotient im Vergleich: Schweiz 31 Prozent, Graubünden 37 Prozent.

Die Auswirkungen der (Jugend-)Abwanderung und der demografischen Veränderung sind vielfältig und im Alltag präsent: Die Grösse der Schulklassen schmilzt, Betriebe müssen mangels Nachfolgelösungen schliessen, Arbeitsplätze gehen verloren, Arbeitsstellen können immer öfter nur durch Grenzgänger besetzt werden – um nur einige Nöte zu nennen. Das schwächt die Wirtschaft und führt zu einem Rückgang der Infrastruktur und des Angebots. Als Konsequenz: Die Jungen sehen sich umso mehr veranlasst, ihr Glück, Berufsbildung und Arbeit anderswo zu suchen. Die Lebensqualität nimmt ab, langsam, unmerklich und deshalb heimtückisch, aber stetig. Ein Teufelskreis.

Gefragt sind eine Vision und Kreativität

Es gleicht einer Herkulesaufgabe, die risikoreiche Entwicklung zu stoppen oder gar umzudrehen. Will man das erreichen, bedarf es einer Vision und Kreativität. Das Bewusstwerden und das Verstehen der Zusammenhänge sind dazu Voraussetzung, die «conditio sine qua non». Jedoch, und hier liegt der Knackpunkt: Zunächst braucht es das Erkennen des Problems und die Offenheit, die Augen vor den Tatsachen nicht zu verschliessen. Nur so kann die Zuversicht dominieren und der Motor in Gang gesetzt werden. Das abgelegene Tal ist stärker als die Ballungszentren gefordert, innovativ zu sein und zu prosperieren, damit es ein lebenswerter Ort bleibt. Alle, die dazu in der Lage sind, stehen solidarisch in der Pflicht der Abwanderung entgegenzuwirken. Auch die Naturpark-Organisation. Indifferenz ist gefährlich.

Tatsächlich wirkt die Naturpark-Organisation gemäss dem Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG) und der Pärkeverordnung (PäV) seit ihrem Bestehen 2010 an dieser für die Gemeinschaft (lebens-) wichtigen Aufgabe mit. Sie initiiert und unterstützt Projekte, koordiniert unter Akteuren, bringt neue Sichtweisen ein und hinterfragt kritisch. Sie polarisiert auch mal und zwingt zum doppelten und dreifachen Nachdenken – gut so! Sie ermöglicht zudem wertvolle Anschubfinanzierungen dank den Mitteln von Bund, Kanton und Gemeinde. Dieses Engagement ist essenziell und kann nicht genug gewürdigt werden.

Einzig könnte man sich fragen, ob der Begriff «Naturpark» eine bezeichnende Wahl ist. Die Natur als schützenswerte Ressource ist im Namen enthalten, der Mensch oder die Gesellschaft kommen jedoch ebenso wenig zum Zuge wie die Zukunftsgestaltung als Hauptintention aller Bemühungen. Eine Namensänderung in «Lebensraumpark» oder «Zukunftspark» könnte den Fokus stärken. Mein Favorit, damit die Bestimmung deutlich und eine Prise Dynamik enthalten ist: Zukunftspark Biosfera Val Müstair.

Maya RepeleMaya Repele

Maya Repele

© Mayk Wendt

Maya Repele

MBA, Präsidentin des Stiftungsrats und Geschäftsleiterin Stiftung Handweberei Tessanda Val Müstair